Poland First – Trumps erster offizieller Staatsbesuch in Europa führt nach Warschau

In Polen ewartet Trump ein herzlicher Empfang. Die polnische Regierung darf sich im Gegenzug in ihrem Reformkurs bestätigt fühlen. An die europäischen Partner gehen ambivalente Singale.

Menschen schwenken die Nationalfahnen Polens und der USA während einer Parade in New York
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Polnische Migrant/innen stellen in den USA eine relevante Wähler/innengruppe und haben nicht unwesentlich zur Wahl Donald Trumps beigetragen (Bild: Pulaski Parade 2015)

Gesperrte Straßen, Hubschrauber über den Köpfen im Stadtzentrum Warschaus und auf allen Titelseiten sein Porträt: Polen bereitet sich auf den Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten vor.

Hier beginnt der erste offizielle Staatsbesuch des noch neuen US-Präsidenten in Europa. Donald Trump bricht damit die Tradition der US-Präsidenten, die ersten europäischen Besuche London, Berlin oder Paris zu gewähren. Insbesondere für die neu gewählte britische Regierung ist das gerade im Zuge der beginnenden Brexit-Verhandlungen ein deutliches Signal.

Die PiS-Regierung schlachtet den Besuch als eigenen Triumph aus, insbesondere als Belohnung für die loyale Nato-Bündnistreue. Obwohl das offizielle Ziel gar nicht Warschau bzw. Polen darstellt, sondern der Gipfel der „Drei-Meeres-Initiative“, der ursprünglich in Wrocław geplant war und aufgrund der Zusage Trumps aus sicherheitstechnischen Gründen nach Warschau verschoben wurde. Die Einladung an das Weiße Haus wurde vom polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda gemeinsam mit der kroatischen Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović ausgestellt, was in den regierungsnahen Medien gerne übergangen wird.

So wird von den polnischen Amtsträgern nur Präsident Duda ein intimes Gespräch mit Trump haben. An weiteren Gesprächsrunden sind aus dem Kabinett Vize-Premier, Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungsminister Mateusz Morawiecki, Außenminister Witold Waszczykowski, Verteidigungsminister Antoni Macierewicz und der Regierungsbeauftragte für strategische Energieinfrastruktur Piotr Naimski beteiligt. Ministerpräsidentin Beata Szydło selbst steht bisher nicht auf der Einladungsliste. Auch der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński bekommt wohl keine Audienz.

Polen und die USA verbindet viel

Polens traditioneller Proamerikanismus ist historisch stärker verwurzelt als in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Dies verkörpern Figuren wie Tadeusz Kościuszko und Kazimierz Pułaski, die sich sowohl an den polnischen wie amerikanischen Freiheitskämpfen des 18. Jahrhunderts beteiligten. Polnische Migranten haben seit Jahrhunderten zahlreich ihr neues Zuhause in den USA gefunden und stellen heute eine relevante Wähler/innengruppe, die nicht unwesentlich zu Trumps Wahl beigetragen hat. In Chicago lebten zur Zeit des 1. Weltkrieges mehr Einwohner polnischer Abstammung als in Warschau. Vor allem aber im Kalten Krieg konnte die polnische antikommunistische Opposition auf substantielle Unterstützung von jenseits des großen Teiches zählen.

Polens geopolitische Lage zwischen zwei großen Nachbarn, deren Aggressionen es in den letzten Jahrhunderten zu oft ausgesetzt war, zwingt die Staatsräson zur Suche nach Sicherheitsgarantien vom großen Bruder USA. Deswegen besitzt auch die aktuelle Rotation der US-Truppen an der Nato-Ostflanke mehr als symbolischen Charakter für das Land und die Region. Einige hoffen sogar auf die erneute Beteuerung der Geltung der Beistandsklausel Art. 5 des Nato-Vertrages vor Russlands Haustür. Polen und seine momentane Regierung sind daher die letzten, die sich in die europäischen Trump-Kritiker einreihen würden.

Jubel ist Donald Trump garantiert

Mit dem Zielort Warschau verbindet Trump die Erwartung, herzlich und kritikfrei empfangen zu werden. Auf „persönlichen Wunsch“ wird der US-Präsident die polnische Gesellschaft am historisch bedeutsamen Ort des Denkmals des Warschauer Aufstandes der Loyalität der USA und Anerkennung der Stärke der polnischen Nation versichern. Eine warme Aufnahme ist ihm vonseiten polnischer Diplomaten wohl versprochen worden, die regierende Partei karrt das Publikum für den öffentlichen Auftritt Trumps aus dem ganzen Land herbei.

Im Gegenzug wird erwartet, dass Präsident Trump – im Unterschied zu Barack Obama beim Nato-Gipfel in Warschau vor genau einem Jahr – die verfassungswidrigen Entscheidungen der PiS-Regierung wie im Falle des Gerichtswesens, freier Medien oder der Versammlungsfreiheit unerwähnt lässt.

Ein regionales Bündnis zwischen drei Meeren

Die Drei-Meeres-Initiative, die ideengeschichtlich bis in die 30er Jahre zurückreicht, wurde letztes Jahr in Dubrovnik (Kroatien) von zwölf EU-Mitgliedstaaten der Region zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer mit dem Ziel der Stärkung der regionalen Zusammenarbeit schwerpunktmäßig im Bereich Infrastruktur und Energiesicherheit unterschrieben.

Letzteres ist insofern aus amerikanischer Perspektive relevant, als dass vor kurzem die erste Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) aus den Vereinigten Staaten in das polnische Gasterminal in Świnoujście (Swinemünde) eingetroffen ist und von Experten erwartet wird, dass Trump eine regelmäßige Kooperation in diesem Bereich während seines Besuchs verkündet. Dies würde nicht nur Polens Energieabhängigkeit von Russland, sondern die der gesamten Region deutlich einschränken und spielt insofern eine wesentliche Rolle in den andauernden Auseinandersetzungen um Nord Stream 2.

Trumps Strategie in Europa: teile und herrsche?

Was Europa bislang vor allem von Trump gehört hat, ist „America First“. Die nicht nur von Kanzlerin Merkel vertretene Schlussfolgerung der Übernahme von mehr Eigenverantwortung für die europäische Sicherheit wird von manch einem auch als Stärkung der EU verstanden. Insbesondere der letzte EU-Gipfel zur Sicherheit wollte das zeigen.

Trumps Absicht ist vermutlich eine andere: So trägt doch die Unterstützung des US-Präsidenten für eine Regierung, die die liberalen Werte und Regeln der EU in Frage stellt und wie er selbst nationale Souveränität über internationale Institutionen stellt, nicht zur europäischen Einheit bei. Dies reiht sich ein in die republikanische Tradition der Teilung Europas in ein „altes“ (West) und „neues“ (Ost) à la Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld anlässlich des Irakkriegs 2003.

In diesem Zusammenhang ist es nicht nur wichtig, was Präsident Trump in seiner Rede in Warschau sagt, sondern auch was die Region und Europa von Präsident Duda bei dieser Gelegenheit zu hören bekommen. Ob Außenminister Sigmar Gabriels Wunsch in Erfüllung geht, Trumps Besuch für die Demonstration eines Europas der 27 zu nutzen, oder die Gelegenheit dazu dient, ein gewisses Gegengewicht zum neuen deutsch-französischen Vorpreschen in der Euro-Zone zu erzeugen, um Sorgen der Nicht-Euro-Länder vor dem Abgehängt werden im „flexiblen Europa“ zu mindern, werden wir in den nächsten Tagen erfahren.

Der Beitrag erschien am 6.7.2017 in einer leicht gekürzten Version in der "Frankfurter Rundschau".